Die Schweiz lebt – aber nur, wenn wir mitarbeiten

Botschaft zum 1. August 2025
«Die Schweiz lebt – aber nur, wenn wir mitarbeiten»
Geschätzte Einwohnerinnen und Einwohner
Unser Land funktioniert, weil Menschen mitdenken, mitreden, mitanpacken. Doch genau das passiert immer weniger. Wir haben uns an das Funktionieren gewöhnt, ohne zu hinterfragen, wer eigentlich noch bereit ist, sich zu engagieren. Miliz, Gemeinde, Vereine, sie stehen unter Druck. Und das liegt nicht an „den anderen“. Es liegt an uns.
Am 1. August feiern wir die Schweiz. Unsere Heimat. Ein Land mit Stabilität, Frieden, Wohlstand, und direkter Demokratie sowie einem guten Milizsystem, das weltweit einzigartig ist. Dieses System ist ein Privileg verbunden mit Rechten, aber auch mit Pflichten. Vor allem aber ist es ein Versprechen. Ein Versprechen, das nur dann lebt, wenn wir es selbst tragen. Und genau hier beginnt unser Problem.
Wo bleibt das Engagement?
„Mit Cervelat und Freibier: So wollen Dörfer die Demokratie retten“, titelte kürzlich das Online-Medium 20 Minuten. Der Artikel zeigt, wie Gemeinden mit Grillwürsten, Bier und Open-Air-Veranstaltungen werben müssen, um ihre Bürger überhaupt zur Gemeindeversammlung zu bewegen.
Auch Vereine kämpfen schweizweit um Nachwuchs. Das ist keine Randerscheinung – sondern ein Symptom:
- Die Stimmbeteiligung sinkt.
- Behörden und Ehrenämter bleiben unbesetzt.
- Milizstrukturen und Vereinsleben kämpfen ums Überleben.
Und die Verantwortung dafür? Die tragen wir alle – wirklich alle:
Alteingesessene Schweizerinnen und Schweizer, die sich in ihre Komfortzonen zurückziehen. Neu eingebürgerte Bürger, die zwar Rechte in Anspruch nehmen, sich aber kaum an Pflichten beteiligen. Integration bedeutet mehr als Sprache oder kulturelle Anpassung – sie bedeutet Mitwirkung.
Und auch die Wirtschaft muss sich fragen lassen: Hochqualifizierte Expats werden ins Land geholt, doch demokratische Integration? Fehlanzeige. Wer hier lebt, sollte wenigstens Grundkenntnisse unseres Milizsystems und politische Prozesse verstehen und im Idealfall auch mitwirken.
Demokratie ist keine Zuschauerdisziplin
Unsere Demokratie ist kein Abo-Modell. Kein Konsumprodukt. Wer nur profitiert, aber nichts beiträgt, gefährdet sie. Es reicht nicht, sich online zu empören oder am Stammtisch über „die da oben“ zu schimpfen. Demokratie lebt vom Mitmachen, auch wenn es Zeit kostet, auch wenn es anstrengend ist.
Gemeindeversammlungen mögen trocken erscheinen, sind es aber nicht. Sie sind der Herzschlag unserer direkten Demokratie. Wer ihnen fernbleibt, weil Netflix oder Grillieren bequemer ist, gefährdet das Fundament, auf dem unser Land steht.
Weniger Kritik an anderen – mehr Verantwortung hier
Wir kritisieren oft andere Länder, ihre Autokraten und deren fehlende Freiheit. Aber wie glaubwürdig ist diese Kritik, wenn wir selbst nicht bereit sind, die grundlegendsten Bürgerpflichten zu übernehmen? Wenn unsere Vorstellung von Freiheit darin besteht, nicht mitentscheiden zu müssen?
Was ist zu tun?
Unsere Demokratie muss früh gelernt, erlebt sowie vorgelebt – und vielleicht auch belohnt – werden. Bereits in der Mittelstufe sollen Kinder erfahren, was Partizipation heisst: Verantwortung übernehmen. Entscheide treffen. Konflikte austragen. Zuhören.
Konkret:
- Pflichtbesuche an Gemeindeversammlungen für Schüler.
- Schnuppertage bei Feuerwehr, Armee oder Zivilschutz.
- Simulierte Abstimmungen im Unterricht.
Und auch Erwachsene müssen wir neu denken lassen:
Warum nicht steuerliche Entlastung für Miliztätigkeit oder freiwilliges Engagement in Vereinen und Behörden? Wer sich fürs Gemeinwohl einsetzt, sollte nicht nur symbolisch, sondern auch materiell anerkannt werden.
Zur Einbürgerung:
Wer Schweizer Rechte will, muss vorher Schweizer Pflichten erlebt haben. Es ist legitim, dass Zugewanderte vor der Einbürgerung an mehreren Gemeindeversammlungen teilnehmen – aktiv, nicht nur als stille Zuschauer. So entsteht nicht nur Integration, sondern echte Identifikation.
Abschliessend richte ich folgenden Appel an Sie:
Unsere Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind uns von früheren Generationen erkämpft worden – von Menschen, die bereit waren, Verantwortung zu übernehmen.
Die Frage ist: Sind wir das auch in Zukunft?
Ich wünsche Ihnen allen einen feierlichen, aber auch nachdenklichen 1. August und den Mut, in Zukunft nicht nur Zuschauer, sondern Mitträger unserer Schweiz zu sein.
Rainer Stüssi
Bezirkspräsident SVP Dietikon